Die meisten Aikidotechniken gibt es in zwei Versionen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie ihr Schwergewicht entweder auf Irimi oder auf Tenkan legen – der Schritt hinein oder der Schritt herum. Die Version, die auf Irimi basiert, wird hauptsächlich vor dem Angreifer ausgeführt, während die andere Version eine Positionsveränderung um diesen herum und hinter diesen beinhaltet. Es pflegt für Anfänger im ersten Jahr des Aikidotrainings sehr schwer zu sein, diese zwei Versionen unterscheiden zu können und sie mit Verständnis für ihren Unterschied auszuführen. Selbst hatte ich in der entsprechenden Periode die bemerkenswerte Eigenheit an mir, dass ich, selbst wenn wir in der erstgenannten Form unterrichtet wurden, die zweite Form ausführte, ohne es zu merken, auch wenn wir diese noch nicht geübt hatten. Mein Lehrer zu jener Zeit, Allan Wahlberg, hatte mächtig Spaß damit. Selbst will ich glauben, dass das darauf beruhte, dass ich instinktiv nach der weichsten Möglichkeit suchte, dem Angriff zu begegnen, da ich verstanden hatte, dass das der Witz mit Aikido war, und da wurde die am meisten ausweichende Bewegung die natürliche.
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Als ich anfing, Aikido zu trainieren, war die Terminologie begrenzt und leidlich ins Schwedische gebracht, und so wurden die zwei Formen positiv und negativ genannt, während die korrekte japanische Bezeichnung Omote und Ura ist. Im Aikido werden diese Begriffe manchmal synonym mit irimi und tenkan gebraucht, da sie deutlich paarweise zusammengehören, irimi/ omote und tenkan/ura, so wie es weiter oben beschrieben wurde. Aber omote und ura sind komplexe Begriffe mit einer Bedeutung, die sich weit über die technische Terminologie des Aikido hinaus erstreckt.
Omote bedeutet in etwa Vorderseite oder Außenseite und kommt ursprünglich von der Bezeichnung für die haarige Seite eines Pelzes oder die Außenseite eines Kleidungsstücks. Es handelt sich also um das Äußere, das Sicht- und Offenbare. Ura steht für die entgegengesetzte Seite, Rück- und Innenseite, das Verborgene. Ursprünglich bedeutet es Futter oder die haarlose Innenseite des Pelzes. Dieses Wortpaar kann daher mit den Gegensätzen offenbar und verborgen verglichen werden, oder, wenn man so will, mit aufrichtig und ausweichend. Ich habe nie den Eindruck bekommen, dass japanische Lehrer irgendeine moralische Wertung dahineingelegt haben, obwohl das für uns im Westen naheliegen würde. Eher ist mein Eindruck, dass sie das Ganze wie die zwei Seiten einer Münze sehen, so unvermeidlich wie eben die Tatsache, dass ein Kleidungsstück sowohl Innen- als Außenseite hat.
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Im Training zieht man einen deutlichen Gewinn daraus, wenn man versucht, sich in diese Gegensätze respektive Charaktere einzuleben, so dass die Omoteformen einer Technik nahezu aufdringlich durchgeführt werden können, mit der starken Einstellung, dem Angriff möglichst schnell zu begegnen – natürlich trotzdem mit einer weggleitenden Körperdrehung, tai sabaki, so dass man nicht mit der Kraft des Angriffs zusammenstößt – während ura so ausgeführt wird, dass man schon bei der initialen Begegnung sozusagen für den Gegner verschwindet, aus dessen Sichtfeld, und weiter weggleitet, in den Schatten hinein. Das kann man im höchsten Grad mit den chinesischen Gegensätzen Yin und Yang vergleichen, die auf japanisch In und Yo heißen, welche mit ihrer ursprünglichen Bedeutung Schattenseite und Sonnenseite deutliche Parallelen zu ura und omote sind. Bei der Ausführung von omote soll die Attitüde immer mit yang vergleichbar sein, das als extrovert, hell, warm beschrieben wird und traditionell als maskulin gilt. Die Uraversion sollte hingegen yin gleichen, das als introvert, dunkel, kalt und traditionell feminin gilt. Man kann an und für sich gern die Geschlechterrollen diskutieren, die darin liegen.
Ein anderes Gegensatzpaar, das mit omote und ura verwandt ist, ist der alte Budobegriff shoden und okuden, die vorderen oder ersten Lehren respektive die inneren oder tiefen Lehren. Einige Budostile legten großen Wert darauf, ihre Kunst auf diese Weise aufzuteilen, wobei ein Anfänger lange und gut shoden üben musste, bevor er als reif angesehen wurde, in okuden eingeweiht zu werden – für einige wurde das nie aktuell. In gewissen Iaidostilen zum Beispiel gibt es immer noch eine solche Aufteilung, aber inzwischen gibt es keine Restriktionen, die einen Anfänger davon abhalten können, beide Arten zu trainieren.
Yasuo Kobayashi. Foto: Magnus Hartman.
Im Aikido gibt es keine Aufteilung in shoden und okuden, ich glaube, der Gedanke wäre sehr fremd für osensei – auch wenn er ein klein wenig zurückhaltend damit war, andere als seine Lehrer in Kontertechniken, kaeshiwaza, zu unterweisen. Ebensowenig hatte Miyamoto Musashi, der legendäre Samurai, der im 17.Jahrhundert lebte und das immer noch vielgelesene „Buch der fünf Ringe“ schrieb, irgendwelchen Respekt vor dieser Aufteilung. Er erklärt kategorisch, dass es „im wirklichen Kampf nichts derartiges gibt, wie mit einer äußeren Technik zu schlagen und mit einer inneren Technik zu hauen“. Er gibt gewiss zu, dass es einfachere und tiefere Dinge innerhalb der Kampfkünste gibt, welche die Schüler sich während ihrer Entwicklung mit unterschiedlicher Leichtigkeit aneignen können, aber er behauptet mit Bestimmtheit, dass es nicht geht, die Techniken danach zu sortieren. Inneres und Äußeres gehen unausweichlich ineinander auf: „wenn man tiefer und tiefer in den Berg eindringt, wird man sich mit der Zeit wieder an einem Eingang befinden.“
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