Kokyu wird mithilfe von zwei Zeichen geschrieben – Ko, das bedeutet Ausatmen, und Kyu, das bedeutet Einatmen – zusammengenommen beinhaltet das ganz einfach Atmung. Im Aikido zielt das Wort jedoch auf die spezielle Bauchatmung, die angewendet wird, um Kraft und Ausdauer zu geben. Man soll mit Tanden (Dantian), seinem Zentrum im Bauch atmen, was auch den Kifluss stimuliert. Vielleicht wird das von der Reihenfolge der Wortbestandteile angedeutet – man atmet aus, bevor man einatmet, aber was gibt es da auszuatmen? Ki natürlich, die Lebenskraft, die nicht auf den Lungen beruht und die uns schon füllt, bevor wir unseren allerersten Atemzug gemacht haben.
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In westlicher Bedeutung ist Kokyu Atmung mit dem Zwerchfell, der gewölbten Membran zwischen Brustkorb und Bauchraum. Das müssen zum Beispiel Opernsänger lernen, um volle Töne hervorbringen und sie mit ein- und demselben Atemzug lang aushalten zu können. Aber im Budo soll man sich absolut nicht auf das Zwerchfell konzentrieren, auch wenn es streng physiologisch dieses ist, welches die Arbeit tut. Nein, der Fokus soll sich präzise im Zentrum des Körpers befinden, Tanden, und die Atmung soll wie der Blasebald dieses Zentrums erlebt werden. Die Luft fährt, genau wie Ki, in Tanden (Dantian) und von da wieder her aus, in einem zunehmenden Fluss, der zum Schluss so wird, dass der Unterschied zwischen Ein- und Ausatmung sich auflöst. Die Atmung befreit sich von dem grundlegend linearen Ein und Aus und wird zu einer Spiralbewegung, bei der es nicht länger geht, die Einatmung von der Ausatmung klar zu unterscheiden. Das zeigt sich auch darin wie der Bauch sich mit der Atmung bewegt – überhaupt nicht.
Gute Bauchatmung erfordert aufrechte Haltung mit markiertem Hohlkreuz, wobei der Bauch eher nach vorne gestreckt als eingezogen sein soll, was auch immer das moderne Schönheitsideal von der Sache halten mag. Richtig deutlich kann man diese Haltung bei den japanischen Sumoringern sehen – und bei Kleinkindern. Wenn man mit korrekter Haltung atmet, wölbt sich der Bauch keinesfalls mit jedem Atemzug vor und zurück, sondern behält seine Form. Ebensowenig werden die Schultern gehoben und gesenkt. Obwohl Kokyu eine umfassende und kraftvolle Atmung ist, wird es nahezu unsichtbar.
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Das gibt auch einen klaren Vorteil im Budotraining. Seit Urzeiten weiß man in den japanischen Kampfkünsten von dem Umstand, dass der Mensch am leichtesten zu überwinden ist, wenn er einatmet. Da ist der Körper am schwächsten und verletzlichsten, die Bewegungen am langsamsten. Der Angreifer tut klug daran, seinen Ausfall genau dann durchzuführen, wenn der andere einatmet. Wenn da der Unterschied zwischen Ein und Aus aufgelöst wird und der Körper nicht signalisiert, wenn das eine in das andere übergeht, findet der Gegner keinen Moment, in dem er zum Angriff übergehen kann. Die Techniken des Aikido spiegeln diesen Prozess wieder. Zu Beginn machen sie einen großen Unterschied zwischen Ein- und Ausatmung, wobei gewisse Momente der ersten folgen und gewisse der zweiten. Mit der Zeit werden die Unterschiede eingeebnet, so dass die Techniken unabgebrochene Ellipsen und Spiralen werden, in denen die Richtung der Atmung keine Bedeutung mehr hat.
Der grundlegende Hieb mit Katana, dem japanischen Schwert, zeigt das deutlich. Man fasst das Schwert mit beiden Händen und hält es vor Tanden, in Bauchhöhe. Die Position wird chudan kamae genannt. Dann hebt man das Schwert über seinen Kopf, gleichzeitig mit der Einatmung, und schlägt es kraftvoll mit einer Ausatmung nieder. Das Schwert landet präzis im selben chudan kamae, von dem es ausging. Je besser man das Schwert beherrschen lernt, desto minimaler wird der Unterschied zwischen diesem Auf und Ab mit dem Schwert, diesem Ein und Aus mit der Atmung, bis die ganze Bewegung wie ein geschlossenen Kreis wird, ohne Anfang oder Ende. Einem solchen Hieb kann man schwer entkommen.
Lars Göran Andersson, Torsby.Foto: Jöran Fagerlund.
Eine der besten Methoden, um sowohl sein Kokyu, die Bauchatmung, zu trainieren, als auch ein deutliches und stabiles Zentrum, Tanden, zu entwickeln, ist dieser grundlegende Schwerthieb.
Im Aikido gibt es einige Techniken, die genauso deutliche Beispiele für die Bauchatmung sind. Sie sind danach benannt – Kokyuho und Kokyonage, der Atmungswurf. Das sind Variationen von Wurftechniken, bei denen die eigene Atmung die Atmung des Partners sucht und ihr folgt und damit den Wurf selbst schafft. Die Techniken können gewiss sehr kraftvoll aussehen, aber sie bauen auf eine Vereinigung vom Kokyu des Angreifers und des Angegriffenen, so als würden beide absichtlich im Takt miteinander atmen. Da die Atmung die wichtigste Antriebskraft jeder Bewegung ist, wird die gemeinsame Atmung unwiderstehlich.
Der Weg zu einer guten Bauchatmung ist nicht schwer, doch für viele mühsam. Man muss sich eins ums andere Mal daran erinnern, dass man die Atmung vom Brustkorb zu Tanden senken soll, und am Anfang ist das rein physisch schwer zustandezubringen. Es ist schwierig, seine Muskeln und Organe zu dirigieren, aber es kommt Schritt für Schritt, mit Konzentration und Übung, bis man eines Tages zu seiner Verwunderung merkt, dass man mit dem Bauch atmet ohne überhaupt daran denken zu müssen. Die erste Voraussetzung ist eine gute Haltung. Ohne den selben geraden Rücken und das deutliche Hohlkreuz, mit dem der meditierende Buddha immer abgebildet wird, schließt man seine Atmung ein und sie kommt niemals über den Brustkorb hinaus. Die selbe Blockierung kommt von Kleidern, die um den Bauch zu eng sitzen. Es gibt zum Beispiel viele, die im Budotraining den Fehler machen, ihren Gürtel um die Taille zu knoten – da können sie Kokyu nicht lernen. Der Gürtel soll nie höher als bei tanden gebunden werden. Man muss seinem Bauch Freiheit schenken, ein abgeschnürter Bauch ist mindestens genauso hemmend für die Atmung wie ein eng um den Hals geknoteter Schlips.
In der japanischen Weise auf den Knien sitzend hat man eine gute Ausgangsstellung, um sowohl die rechte Haltung als auch die rechte Atmung zu finden. Der Rücken wird so gut wie automatisch aufrecht, der Bauch weist nach vorne, und es ist nicht besonders schwer, seine Atemzüge bis ins Zentrum des Körpers hinunterzuziehen. Die Crux liegt darin, diese Atmung und Haltung zu behalten, wenn man sich erhebt und mit dem Aikidotraining beginnt. Ebenso schwer ist es für viele, an der Bauchatmung festzuhalten, wenn sie atemlos werden. Da beginnen sie oft zu keuchen und hastige, kurze Atemzüge mit dem Brustkorb zu machen – obwohl eine solche Atmung nicht so effektiv ist. Das selbe Problem haben viele, wenn sie plötzlich ordentlich zugreifen müssen – da kann es geradezu passieren, dass sie den Atem ganz anhalten.
Aber die Bewegungen des Aikido sind im Einklang mit Kokyu geformt, und so wird die Bauchatmung unmerklich vom Training selbst stimuliert. Mit der Zeit lernt man richtig zu atmen – und versteht nicht mehr, warum es einem früher so schwer fiel. Kokyu spielt eine so hervorgehobene Rolle im Aikido, dass man immer danach strebt, seinen Bauch direkt auf das zu richten, worauf man sich fokussiert – die Richtung, in die man sich bewegt, oder das Ziel, das man mit seiner Bewegung hat. Das macht sowohl der, welcher angreift, als auch der, welcher sich verteidigt. Um zum grundlegenden Schwerthieb zurückzukehren: die Ausgangsstellung Chudan Kamae ist mit dem Schwert vor dem Bauch, und da dieses mit beiden Händen gegriffen wird, kann man es schwerlich besonders weit in eine andere Richtung führen als dorthin, wohin der Bauch zeigt.
In allen Budoarten will man die ganze Zeit mit seinem Bauch in die Richtung weisen, in die man agiert. Nur so kann man maximale Kontrolle über seine Bewegungen und Kraft in ihnen bekommen. Das klingt selbstverständlich, da die Anatomie des Menschen so funktioniert, aber viele Anfänger haben trotzdem Schwierigkeiten damit, in diesem Punkt immer das Richtige zu tun. Der Bauch kann auf dem Weg in die eine Richtung sein und die Arme in eine andere – da geht das Gleichgewicht verloren. Wenn man fühlt, dass der Bauch den Bewegungen nicht nur folgt, sondern sie eigentlich ausführt, so wie die Nabe, die der Ausgangspunkt für die Drehung eines Rads ist, da hat man ein gutes Kokyu.
Wenn man sein Kokyu übt, sollte man seinen Ehrgeiz dahinein setzen, den ganzen Körper mit dem Fluss der Atmung zu füllen und diese weit über die Grenzen des Körpers hinauszustrecken. Wenn jemand kraftvoll mit Tanden atmet, soll man das weithin vernehmen können, ohne dass die Atmung laut werden muss. Man wird ein Blasebalg von Energie und doch diskret, so wie wenn frische Luft durch ein geöffnetes Fenster hereinströmt. Und wenn man ordentlich zugreift, so soll das sein wie bei einem Durchzug.
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