Gotai – statisches Training
Es gibt im Großen und Ganzen drei Arten, Aikido zu trainieren: Gotai, Jutai und Ki Nagare – statisch, weich und fließend. Auch wenn diese drei als verschiedene Stadien in der Entwicklung des Aikidotrainierenden beschrieben werden können, sind sie als Trainingsform ständig wiederkehrend und gemischt. Sie komplettieren einander.
Gotai, das statische Training, geht von unbeweglichen Positionen aus. Der Partner darf greifen, bevor man beginnt, seine Technik auszuführen. Das ist natürlich nicht die beste Selbstver teidigung, aber es ist äußerst wichtig, dass man lernt, damit zurechtzukommen. Für den Anfänger ist Gotai auch die einzig einleuchtende Möglichkeit, die komplizierten Aikidotechniken zu lernen und damit vertraut zu werden, wie man sie ausführt.
Die Japaner haben lange mit großem Interesse trainiert, sich aus Griffen und allen möglichen Umklammerungen zu befreien. Sie betrachten besonders das Vermögen im Aikido, sich sichtlich leichthändig aus dem stärksten Griff zu winden, immer mit großem Respekt. Für die Samurais war es besonders angebracht, sich von Festhaltegriffen befreien zu können, die sie daran hinderten, das Schwert zu ziehen. Ebenso war es für die Gegner äußerst wünschenswert, die Hände der Samurais blockieren zu können. Aikido, das aus der alten Verteidigungskunst der Samurais hervorgewachsen ist, beinhaltet deshalb eine Menge Techniken für den Griff ums Handgelenk. Das Training mit diesen Angriffsformen ist auch eine hervorragende Möglichkeit, die Prinzipien und Methoden des Aikido auszuprobieren.
Wenn man nicht weiß wie, kann es sehr schwierig sein, sich aus einem starken Griff um die Handgelenke zu befreien – und in Gotai soll der Partner wirklich ordentlich festhalten. Auf dasselbe Problem stößt man natürlich in allen Formen von Umklammerungen – Leibgriff, Würgegriff usw. Der Größste und Stärkste hat nach allgemeiner Auffassung alle Trümpfe in der Hand. In Gotai trainiert man vor allem zwei der Prinzipien des Aikido, die eine Lösung für eine solche Klemme anbieten. Das erste ist, immer zuzusehen, dass man sein Körperzentrum hinter dem hat, was man ausführt, das andere, die verborgene Beweglichkeit in dem unbeweglichsten Zustand zu entdecken.
Das Wissen, dass man den Bauch auf das Ziel richten soll, so dass er Stütze und Abschussrampe für jede Bewegung ist, ist eine ebenso souveräne Hilfe, wie wenn man lernt, dass man schwere Sachen mit den Beinen und nicht mit dem Rücken heben soll. Alle Bewegungen im Aikido sollen von Tanden kommen. Um das zu lernen, achtet man darauf, dass man seinen Bauch immer in die Richtung wendet, in die man gehen will. Das wird mit Körperdrehungen gemacht, besonders mit der Flexibilität der Hüftpartie. Es ist nicht allzu schwer, die Arme oder Beine oder den Kopf eines Menschen festzuhalten – aber es ist völlig unmöglich ihn daran zu hindern, die Hüften zu bewegen und damit die Flexibilität zu haben, die man braucht, um sich aus jedem Griff zu befreien. Durch Hüftdrehungen findet man einen Weg hinaus, und dadurch, dass man den Bauch in diese Richtung zeigen lässt, hat man Kraft und Festigkeit genug, um sich auf dem Weg nach vorne zu bewegen.
Obwohl es so aussieht, als würden die Hüften die ganze Arbeit machen, so ist es wichtig, sich auf den Bauch zu konzentrieren – teils um sein Zentrum zu finden und teils weil man sonst leicht Balance und Festigkeit verliert. Ohne gute Balance kann man sich kaum aus einem Griff befreien. Faktisch wird es sich immer zeigen, dass von zwei Kontrahenten immer der Stärkere ist, welcher die beste Balance hat – ungeachtet des Formats von Bizeps und Trizeps. So wie die Boa Halt für ihren Schwanz braucht, um die Beute zu Tode zu drücken zu können, muss der Mensch Balance haben, um seine Stärke anwenden zu können. Und das Gleichgewicht sitzt immer im Schwerpunkt des Körpers – in Tanden.
Deshalb kommt man ausschließlich auf dem Weg über das Zentrum des Partners an dessen Gleichgewicht, und das ist nötig, um ihn in die Bahnen der Aikidotechniken zu leiten und sich damit zu befreien. Im Innern des Bauchs des Partners gibt es immer Beweglichkeit, in jede denkbare Richtung, wie ein Potential. Diese kann man wecken und leiten, ungeachtet dessen, wie fest der Partner zu stehen scheint und wie schraubstockfest sein Griff ist.
Die Beweglichkeit wird dadurch geweckt, dass man sich entspannt. Komischerweise ist es genau das Gegenteil von dem, was Menschen zu tun pflegen, wenn jemand sie festhält. Sie spannen ihre Muskeln, reißen und drücken um freizukommen. So etwas macht den Partner nur stärker, und der Schraubstock wird fester gezogen. Aber wenn man sich entspannt und weich wird, da verliert der Griff des Partners seine Festigkeit und die vielen Richtungen in die man ihn leiten kann, werden erkennbar. Man braucht nur zu wählen.
Dieses lustige Naturgesetz ist leicht auszuprobieren. Lässt man einen Partner richtig hart am Handgelenk zugreifen und ballt selbst seine Hand, spannt die Armmuskeln – so fühlen beide, wie stark der Griff des Partners ist. Aber wenn man plötzlich die Hand öffnet und sich in den Muskeln entspannt, da merkt man deutlich, wie der Griff des Partners sozusagen abgleitet, seine Stärke verliert. Er muss einen neuen Griff machen, erneut zupacken, um die Kraft und die Kontrolle zurück zu gewinnen. Bevor er das tut, ist es leicht, eine Aikidotechnik auszuführen. Es ist ja üblich, die Worte Weicheit und Beweglichkeit als Synonyme anzuwenden. Wenn man weich wird, kann man sich immer bewegen, so sehr man auch festsitzt. In der Weichheit liegt wirkliche Stärke.